Wir gewinnen die Klage gegen das Finanzamt Berlin

Wir sind wieder gemeinnützig! Nach vierjährigem Rechtsstreit um unsere Gemeinnützigkeit mit dem Finanzamt Berlin haben wir nach der mündlichen Verhandlung am Dienstag, 14.11.2023 erfahren, dass wir unsere Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus gewonnen haben.

Direkt darauf kündigte das Berliner Finanzamt an, in Revision zu gehen. Diese muss innerhalb eines Monats, also bis zum 27.12., nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof in München schriftlich eingehen. Innerhalb von zwei Monaten, also bis zum 27.01.2024, muss die Revision auch noch schriftlich begründet werden. Wir sind gespannt!

Gregor Hackmack, Vorstand innn.it e.V. kommentiert: “Wir freuen uns sehr über den Erfolg unserer Klage und dass das Finanzgericht Berlin-Brandenburg unsere Rechtsauffassung teilt, dass Petitionen nicht nur an staatliche Stellen, sondern auch an Unternehmen gerichtet werden können, ohne dass dies gemeinnützigkeitsschädlich ist. Wir erwarten jetzt vom Finanzamt Berlin, dass es uns die Gemeinnützigkeit zurückgibt!”

Nora Circosta, Vorständin innn.it e.V. kommentiert: „Nach viereinhalb Jahren muss das Berliner Finanzamt endlich einsehen, dass die starre Interpretation des Satzungszwecks „Förderung des demokratischen Staatswesens“ nicht standhält. Wir sind erfreut, dass das Finanzgericht mit der heutigen Entscheidung ein positives Signal an die Zivilgesellschaft sendet!”

Ein Auszug aus der Urteilsbegründung:
„Der Kläger ist gemeinnützig tätig, denn er fördert das demokratische Staatswesen. Es liegt auch nicht der Ausschlussgrund vor, dass Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind, verfolgt werden.“

In diesem Video finden sich weitere spannende Hintergründe zum Urteil aus rechtlicher Perspektive. Sollte es in dieser Form vor dem Bundesfinanzhof Bestand haben, wäre es ein echter Meilenstein in der Weiterentwicklung und Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts zugunsten der Zivilgesellschaft. 

Die Klage wurde von der renommierten und auf Gemeinnützigkeitsrecht spezialisierten Kanzlei SCHOMERUS geführt. 

Armin Trotzki, Rechtsanwalt und Partner bei SCHOMERUS kommentiert: “Mit dieser Entscheidung dürfen sich steuerbegünstigte Organisationen in Deutschland zukünftig auch konkret für die Demokratie im Sinne einer Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements einsetzen“.

Unsere Klage wird unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Sarah Lincoln, Rechtsanwältin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte kommentiert: „Petitionen fördern die demokratische Teilhabe – ganz egal ob sie sich an staatliche Stellen oder an Unternehmen richten. Der Verein innn.it hat eine wichtige Entscheidung für eine starke Zivilgesellschaft und damit für unser demokratisches Gemeinwesen erstritten.“ 

Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung”, einem Zusammenschluss von 200 Vereinen und Stiftungen: “Danke für Euren Mut und Eure Hartnäckigkeit! Der Fall innn.it ist nur eines von vielen Beispielen für das veraltete Gemeinnützigkeitsrecht. Jeder fünfte Verein hält sich aus Sorge vor Sanktionen mit Aktivitäten zurück. Die meisten haben nicht die Kraft, in einen Jahre dauernden Rechtsstreit zu gehen. Das beschränkt die Demokratie. Die Ampel-Koalition muss endlich wie versprochen das Gemeinnützigkeitsrecht ins 21. Jahrhundert holen.”

Kurzlink zur Petition: innn.it/klage

Hier finden Sie die bisherige Chronologie der Ereignisse

Hintergrund: Vor vier Jahren hatte die Berliner Finanzverwaltung eine Entscheidung gefällt, die die Position von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Unternehmen schwächen sollte: Menschen, die Petitionen an Unternehmen richten, sollten in Deutschland keine gemeinnützige kostenlose Plattform wie innn.it nutzen dürfen. Stattdessen wollte das Finanzamt, dass innn.it Petitionen an Konzerne und Unternehmen zukünftig löscht oder nur gegen Bezahlung zulässt. Petitionen an Elon Musk, Jeff Bezos oder andere Konzerne wären dann nicht mehr kostenfrei möglich gewesen. 

Warum ist dieser Prozess so wichtig? Der gemeinnützige Zweck “Förderung des demokratischen Staatswesens” aus der Abgabenordnung § 52  war bisher kaum genauer definiert. Das Urteil hat somit Präzedenzcharakter für ähnliche Fälle und erweitert den Spielraum für die Zivilgesellschaft.

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